H1: Mehrsprachigkeit als Ursache und Folge von Sprachwandel: Historische Syntax romanischer Sprachen
Projektleiter:
Prof. Dr. Esther Rinke
Wissenschaftlicher Mitarbeiter:
Dr. Martin Elsig
Ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiter/innen:
Dr. Gisella Ferraresi
Dr. Marc-Olivier Hinzelin
Prof. Dr. Georg A. Kaiser
Dr. Ioanna Sitaridou
Anne-Kathrin Preißler
Studentische Hilfskräfte:
Mariano Junge
Kathrin Konrad
Xavier Protat
Theoretischer Rahmen:
Das Teilprojekt H1 untersucht syntaktischen Sprachwandel in den romanischen Sprachen. Im Zentrum unseres Interesses steht dabei parametrischer Wandel und die Frage, wie er vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus der Spracherwerbsforschung zu erklären ist. Hierbei wird unter anderem die Rolle von Sprachkontakt und Informationsstruktur als möglichen Auslösern von syntaktischem Wandel thematisiert. Die Analysen werden im universalgrammatischen Rahmen durchgeführt und durch quantitative Methoden der Variationslinguistik ergänzt. Dadurch soll ein theoretisch und empirisch fundierter Beitrag zu einer Theorie des Sprachwandels geleistet werden.
Erkenntnisse der Spracherwerbsforschung zeigen, dass Kinder, die mehr als eine Erstsprache erwerben, bereits sehr früh die zielsprachlichen Parametrisierungen der beteiligten Sprachen korrekt und mühelos erwerben (vgl. Meisel 1989, 2000, 2001, 2007a, 2007b). Mehrsprachigkeit alleine kann daher keine hinreichende Ursache für Sprachwandel sein. Eine entscheidende Rolle könnte der Mehrsprachigkeit jedoch dann zukommen, wenn Bezugspersonen der Kinder Zweitsprachlerner der sich wandelnden Sprache sind oder wenn die Kinder nicht von Geburt an mit der Sprache in Kontakt kommen und somit selbst L2 Lerner sind. In beiden Fällen kann es dazu kommen, dass Parameter der Zielsprache gar nicht oder auf einen anderen Wert festgelegt werden als dies in der Grammatik jener Sprecher der Fall war, die in den vorausgehenden Generationen die Sprache als Muttersprache erworben hatten. Ein solches Szenario ist vor allem in denjenigen Fällen von Sprachkontakt zu erwarten, die durch hohe soziale Instabilität geprägt sind, wie etwa in den Zeiten der Völkerwanderung oder als Folge der Pestepidemien.
Abgesehen von Sprachkontakt wird auch informationsstrukturell bedingte Variation als Auslöser von syntaktischem Wandel diskutiert. Unsere Analysen haben diesbezüglich gezeigt, dass die informationsstrukturelle Gliederung nicht nur für die Koexistenz syntaktischer Varianten innerhalb einer Grammatik verantwortlich ist, sondern dass informationsstrukturelle Faktoren syntaktischen Wandel auch begünstigen oder auslösen können. In einigen Fällen hat sich gezeigt, dass strukturelle Variation (z.B. von Wortstellungsmustern) synchronisch wie diachronisch besser als informationsstrukturell bedingt zu erklären ist und nicht als Folge von parametrischer Variation (vgl. Gabriel & Rinke, erscheint, Kupisch & Rinke 2007, Rinke & Meisel, eingereicht).