H7: Sprachliche Konnektivität bei bilingual türkisch-deutsch aufwachsenden Kindern
Projektleitung: Jochen Rehbein
Mitarbeiterinnnen: Anette Herkenrath
Förderung: Juli 1999 bis Juni 2006
Wissenschaftliche Fragestellung
Im Teilprojekt H7 ist in Fortsetzung der vorangegangenen Projektphasen zu präzisieren, wie sich bei bilingual deutsch-türkisch aufwachsenden Kindern im Alter zwischen 5-12 Jahren die Sprachen entwickeln, d.h. von welchen mental-kognitiven, kommunikativen und konstellativen Faktoren die Entwicklung von türkisch-deutscher Mehrsprachigkeit abhängt.
Bisherige Ergebnisse
Das Projekt hat sich bis jetzt damit beschäftigt, wesentliche Unterschiede im Hinblick auf Konnektivität zwischen dem Türkischen in der Türkei und dem in Deutschland zu erforschen und die Unterschiede aus der Kontaktsituation heraus zu erklären. Die bisherigen Projektarbeiten zeigen, dass sich in den untersuchten Bereichen der Konnektivität im Kontakttürkischen der bilingual deutsch-türkisch aufwachsenden Kinder Uminterpretationen des türkeitürkischen Forminventars entwickeln:
In Herkenrath & Karakoç (2002a) ist in der Entwicklung Zweisprachiger im Türkischen eine allgemeine Abnahme derjenigen türkischen Konstruktionen, die mittels Nominalisierung in Form von Partizipien, Verbalnomina oder Konverbien in Matrixsätze eingebettet werden, festgestellt worden.
Herkenrath, Özdil & Rehbein (2004) untersuchen ”Code-Switching” unter dem Blickwinkel von Konvergenz- und Fusionserscheinungen, und zwar eingeschränkt auf diskursorganisierende Verfahren bei Koordination und Diskursplanung (Rehbein 1995). Es zeigt sich eine Verlagerung von Thema-anbindenden Verfahren mittels Diskurspartikeln in monolingualen Daten hin zu deiktisch fokussierenden und äußerungsinitial positionierten konjunktionsähnlichen Verfahren in den bilingualen.
Weitere Projektstudien (Herkenrath, Karakoç & Rehbein 2003; Herkenrath & Karakoç 2005) zeigen, dass wh-Elemente bei einigen Kindern in nicht-interrogativen Konstruktionen eine Komplementiererrolle in subordinierten finiten Konstruktionen, die deutschen subordinierten Konstruktionen nicht unähnlich sind, entwickeln. Diese Verwendungsart ist charakterisiert durch Finitheit des Prädikats, Voranstellung des wh-Elements sowie durch Nachstellung der eingebetteten wh-Konstruktion mit rhematischen Eigenschaften. Die türkische Partikel ki, die aus persischem keh übernommen wurde und im Persischen Relativsätze, dass-Sätze und auch relativische Fragesätze einleitet, weist im Kontakttürkischen eine Komplementiererfunktion auf, die dem deutschen dass vergleichbar ist. Während im monolingualen Türkisch “wissensbearbeitende” Diskurspartikeln wie iste für diskurskoordinierende Verfahren eingesetzt werden, ist in den bilingualen Diskursen eine quantitativ geringere Verwendung von Partikeln aus diesem Bereich und eine stärkere Funktionalisierung temporaldeiktischer Elemente wie o zaman zu beobachten (Herkenrath 2004).
Projektarbeiten (Karakoç 2004b; Rehbein & Karakoç 2004) zur Verwendung aspektueller Elemente des Türkischen zeigen, dass die Kategorie ‘Aspekt’ im Deutschlandtürkischen unter Sprachkontakt ihre funktionale Interpretation ändert. Das Türkische in bilingualen Projektdaten zeichnet sich durch eine Reduktion des Spektrums der verwendeten Aspektformen und durch eine deutliche Präferenz für die präsentische Form (-(ø)Iyor) und die präteritale Form (-DI) aus. Des Weiteren handelt es sich bei den Diskursausschnitten in bilingualen Daten meist um diskontinuierliche Aspektverwendung im Gegensatz zu denen in monolingualen Projektdaten, in denen die systematische und konsequente Verwendung bestimmter aspektueller sowie temporaler Formen durchaus charakteristisch sind.
Dass sich verschiedene konnektive Elemente in Abhängigkeit von Diskursstrukturen entwickeln, wurde anhand des Erzählens in zwei Sprachen im Alter von 10 bis 16 gezeigt (Rehbein 2004). Erst im Jugendlichenalter wird dabei ein langfristig stabiles Verhältnis zwischen den Sprachen (Türkisch und Deutsch) zueinander erreicht; es zeigt sich bei Kindern individuell unterschiedlich.
Die projekt- und projektbereichsübergreifende Kooperation ergab zwei Studien zur Problematik Korpusarbeit und Methodologie: Baumgarten et al. (2004) ist ein Ansatz zur Entwicklung quantifizierender Methoden und Tools für die Analyse koordinierender Mittel (Konjunktionen, Diskursmarker) in diversifizierten Datenkorpora. Das Arbeitspapier verfolgt einerseits eine komparatistische und methodologische Fragestellung. Rehbein et al. (2004) ist ein Handbuch zur computergestützten Verschriftlichung gesprochener Sprache in mehrpersoniger Kommunikation (einschließlich der Transkription mehrsprachiger Daten in dem von TP Zb entwickelten Partitureditor EXMARaLDA.