E3: Prosodische Beschränkungen zur phonologischen und morphologischen Entwicklung im bilingualen Spracherwerb
Projektleitung: Conxita Lleó
Mitarbeiter/innen: Aleksandra Zaba,Marta Saceda Ulloa
In diesem Projekt wird die Untersuchung des bilingualen deutsch-spanischen Erstspracherwerbs der Phonologie und Morphologie fortgesetzt. Bislang wurde trotz verschiedener Entwicklungsverläufe zweier Muttersprachen ein gemeinsamer Effekt des Sprachenkontakts nachgewiesen, nämlich Interaktion zwischen den beiden phonologischen Systemen. Mit dem Ziel, den Auslöser des Spracheneinflusses besser zu verstehen, haben wir in der vergangenen Förderungsphase die Rolle der Umgebungssprache fokussiert, indem wir Daten von spanisch-deutsch bilingualen Kindern aus Madrid auf verschiedene Phänomene wie Spirantisierung, Nasalassimilation, Erwerb der Kodas, Rhythmus, Intonation usw. hin untersucht haben. Für die Bildung komplexer Kategorien, z.B. bei der Spirantisierung, scheint die Umgebungssprache entscheidend zu sein, während sich markierte, aber nicht komplexe Kategorien wie geschlossene Silben unabhängig davon entwickeln, ob die Umgebungssprache Deutsch oder Spanisch ist.
Die zentrale Fragestellung des Projektes ist immer noch:
- die Auslotung der verschiedenen internen und externen Faktoren der Interaktion und
- die Erklärung ihrer unterschiedlichen Manifestationen, wie Beschleunigung, Verzögerung und Transfer.
- Beim Transfer, die Konkretisierung der Rolle der Komplexität der zu bildenden Kategorien;
- um Erkenntnisse über die Sprachproduktion zu ergänzen, Untersuchung der Bildung komplexer Kategorien bei bilingualen Kindern ebenfalls im Bereich der Perzeption.
Zum Erreichen dieser Ziele ist ein Vergleich der Sprachentwicklung der untersuchten bilingualen Kinder mit der anderer monolingualer und bilingualer Kinder vonnöten. Aus diesem Grunde haben wir Kriterien entwickelt, um die Entwicklung der frühkindlichen Produktionen zu messen. Sie werden uns ermöglichen, Profile für die normale phonologische Entwicklung des Deutschen und des Spanischen bei monolingualen und bilingualen Kindern aufzustellen. Bislang sind ein Teil der Daten von PAIDUS sowie aus den von E3 in Hamburg erhobenen Langzeitstudien untersucht; die Erstellung von Profilen dieser Daten sollte fortgesetzt und durch die im laufenden Projekt in Madrid erhobenen Querschnittsdaten ergänzt werden.
Über die Profile hinaus sollten verschiedene Aspekte, die wir für bestimmte Altersspannen beobachtet haben, in späteren Altersspannen weiter untersucht werden. So hatten wir z.B. VOT bis zu einem Alter von ca. 3 Jahren untersucht, was uns noch nicht ermöglichte, das vermutlich spät erworbene Pre-voicing im Spanischen einzubeziehen. Dieses sollte besonders im bilingualen spanisch-deutschen Kontext für die Bestimmung der Interaktionsfaktoren sehr aufschlussreich sein und muss nun im Vergleich der Hamburger und Madrider Daten erfolgen. Auch die Untersuchung markierter Kategorien wie Vokallänge im Deutschen sollte fortgesetzt werden. Eine Studie über den Erwerb der Vokallänge durch die in Deutschland aufwachsenden bilingualen Kinder hatte eine Verzögerung von ca. 6 Monaten gegenüber dem monolingualen Erwerb ergeben, die jedoch schnell überwunden wurde. Der Erwerbsvergleich von Vokallänge im Deutschen sollte mit den Madrider Daten fortgesetzt werden, um den Einfluss der Umgebungssprache auch in diesem Bereich bestimmen zu können. Um uns an der Repräsentation solcher Kategorien im Kindeslexikon anzunähern, werden wir Perzeptionstests mit bilingualen Kindern in Hamburg und in Madrid bzw. in Barcelona durchführen. Es ist zu erwarten, dass die in Madrid oder Barcelona aufwachsenden Bilingualen eine länger andauernde Verlangsamung des Erwerbs der Vokaldauer im Deutschen als die in Hamburg aufwachsenden aufweisen.
In manchen Fällen mussten wir feststellen, dass sich die spanische Kompetenz der von uns untersuchten bilingualen Kinder anders entwickelt als die der monolingualen, was zu einer unvollständigen Kompetenz des Spanischen im phonologischen Bereich führen kann. Diese Ergebnisse haben die Grundlage für das Transferprojekt T4 gebildet, das Hilfestellungen für einen verbesserten Erwerb des Spanischen für solche Kinder zur Verfügung stellen wird. Wir haben jedoch noch kein umfassendes Bild aller Kinder, das Rückschlüsse auf die Gründe für das Erreichen bzw. Nichterreichen einer vollständigen sprachlichen Kompetenz erlaubt. Wir beabsichtigen, Kinder, die von Geburt an beiden Sprachen ausgesetzt sind und trotzdem eine unvollständige spanische Kompetenz erreichen, mit weiteren Kindern zu vergleichen, die später, z.B. ab dem 3. bzw. 6. Lebensjahr, dem Deutschen bzw. dem Spanischen ausgesetzt sind. Wenn beide Gruppen eine vergleichbar unvollständige phonologische Kompetenz erreichen, wäre das ein Beleg dafür, dass dem Ausmaß des Inputs (Umgebungssprache vs. Nichtumgebungssprache) eine mindestens so wichtige Rolle zukommt wie dem Alter zum Zeitpunkt des Erwerbsbeginns.
Es ist gezeigt worden, dass die Schnittstellen der Grammatik besonders anfällig für Interaktion sind. Vor diesem Hintergrund sollte die Prosodifizierung von Funktionswörtern wie Artikel und Pronomina untersucht werden, da sie im Deutschen anders erfolgt als im Spanischen. Die Untersuchung der Makroebene der Prosodie wird dadurch auf der strukturellen Ebene ergänzt.
Methodischer Ansatz:
Wir werden in jährlichen Abständen weitere Daten von den Hamburger Bilingualen erheben, um Kontinuität zu gewährleisten. Hinzu kommen Querschnittsdaten von Kindern mit späterem Zugang zum Spanischen. Grundlage der Untersuchungen sind die phonetischen Transkriptionen der Kinderäußerungen, in vielen Bereichen ergänzt durch akustische Analysen. Zusätzlich werden Perzeptionsanalysen im Bezug auf Kategorienbildung wie bei den langen und kurzen Vokalen im Deutschen, den stimmlosen Plosiven und den Spiranten im Spanischen durchgeführt. Die Interpretation der Analyseergebnisse wird durch verschiedene statistische Verfahren ergänzt.