M1 (Kooperationsprojekt E4/H8):Genus im Erst- und Zweitspracherwerb bei polnisch-deutsch zweisprachigen Kindern
Projektleitung:
- Jun.-Prof. Dr. Bernhard Brehmer, Institut für Slavistik, Fak 5
- Prof. Dr. Monika Rothweiler, FB 12, Universität Bremen
Wissenschaftlicher Mitarbeiter/Koordinator: Kinga Kulaga
Studentische Mitabeiterinnen und Mitarbeiter:
- Wojciech Bordin
- Karolina Dornheim
- Dominika Seczyk
Wissenschaftliche Fragestellung:
In diesemem Kooperationsprojekt soll der Erwerb des Genussystems im Polnischen und Deutschen bei zweisprachig aufwachsenden Kindern mit Polnisch als Erst- und Deutsch als früher Zweitsprache untersuchen werden (Alter bei Datenerhebung etwa 3 bis 6 Jahre). Die Entwicklung des Polnischen soll hinsichtlich der Frage geprüft werden, ob Evidenz für Abweichungen im Genuserwerb zu finden sind, die auf einen Einfluss des Deutschen auf das Polnische hinweisen. Erste Untersuchungen bei erwachsenen Bilingualen zeigen für maskulin-personales Genus im Polnischen eine Tendenz zur Übergeneralisierung. Es soll geprüft werden, ob der Erwerb des Polnischen wie in Polen sehr früh und weitgehend korrekt erfolgt oder ob sich bereits Abweichungen nachweisen lassen, die sich auf einen ggfs. abweichenden Input zurückführen lassen. Die Fokussierung auf das Genus verspricht interessante Ergebnisse, da das polnische und das deutsche Genussystem zwar einige Gemeinsamkeiten, aber auch eine ganze Reihe von Unterschieden aufweisen. In beiden Sprachen kann das Genus bei Substantiven als klassifizierende Kategorie aufgefasst werden. Genus im Polnischen wird vom Stamm des Lexems impliziert und in der Flexion nicht verändert. Im Gegensatz zum Deutschen ändert auch die Diminutivflexion das Genus nicht. Beide Sprachen weisen drei Grundgenera (Maskulinum - Femininum - Neutrum) auf, wobei die Verhältnisse im Polnischen deutlich komplexer sind als im Deutschen, da das Maskulinum in Abhängigkeit von der lexikalischen Bedeutung der Nomina in drei Subgenera zerfällt: Maskulinum-Personal, Maskulinum-Belebt und Maskulinum-Unbelebt. Daher wird das Polnische heute weitgehend als 5-Genera-Sprache klassifiziert. Die Dominanz formaler Kriterien über semantische Faktoren bei der Genuszuweisung ist in der bisherigen Forschung als Grund dafür angeführt worden, dass der Genuserwerb im Polnischen sehr früh erfolgt und von Anfang an zumindest die drei Grundgenera unterschieden bzw. korrekt auseinander gehalten werden (vgl. Smoczyńska 1985). Im Projekt soll nun der Frage nachgegangen werden, ob dies auch für bilinguale Kinder gilt oder ob sich bei der Genuszuweisung sowie bei der Realisierung der Kongruenz Abweichungen zum monolingualen Polnisch-Erwerb beobachten lassen. Der Vergleich mit dem monolingualen Genuserwerb im Polnischen soll primär durch den Rückgriff auf die polnischen Daten der CHILDES-Datenbank erfolgen. Die Leitfragen für die Auswertung der polnischen Daten können daher wie folgt formuliert werden:
- Nutzen die in Deutschland aufwachsenden Kinder dieselben klaren formalen Regeln der Genuszuweisung wie in Polen aufwachsende Kinder zur Genusbestimmung im Polnischen oder interferieren hier andere Faktoren (z.B. das Genus der entsprechenden deutschen Äquivalente, ggfs. vermittelt durch einen bereits abweichenden Input)?
- Wie verläuft die Genuszuweisung bei Wörtern, bei denen die Auslautstruktur nicht über die Genuszuweisung entscheidet?
- Bildet sich ein Drei-Genera-System nach Vorbild des Deutschen heraus oder differenzieren die Kinder die drei Subgenera des Maskulinums im Polnischen? Falls ja, ab welchem Alter lässt sich dies beobachten?
Die Ergebnisse werden mit denen aus dem Projekt E4 verglichen, in denen der Spracherwerb von türkisch-deutschen Kindern untersucht wird. Der Erwerb im Deutschen wird vor allem hinsichtlich der Diskussion zur kritische Periode im Spracherwerb untersucht.
Die Leitfragen für die Auswertung der deutschen Daten können vor diesem Hintergrund wie folgt formuliert werden:
- Unterscheidet sich der Erwerb des Genussystems bei sukzessiv polnisch-deutschen Kindern vom monolingualen Erwerb des Deutschen?
- Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede ergeben sich im Vergleich des Erwerbs des deutschen Genussystems bei türkisch-deutschen und polnisch-deutschen Kindern?