Werk
Bei den 'Disticha Catonis' (auch: 'Dicta Catonis') handelt es sich um eine spätantike, im 3. oder 4. nachchristlichen Jahrhundert entstandene Sentenzensammlung
eines anonymen Verfassers, die in 144 Hexameterdistichen Regeln für die praktische Lebensführung im privaten und zwischenmenschlichen
Bereich vermittelt. Vorangestellt ist der Sammlung eine kurze Prosaepistel.
Bereits im Frühmittelalter wurden, auf zwei unterschiedlichen Bearbeitungsstufen,
zunächst dem zweiten, dritten und vierten Buch jeweils metrische praefationes
vorangestellt und später dann zwischen die Prosaepistel und die Hexameterdistichen
des ersten Buches 57 Kurzsentenzen in Prosa ('Breves sententiae') eingeschaltet. Letztere gehen
auf die sogenannten "Sprüche der Sieben Weisen Meister" zurück.
Wirkung
Das recht übersichtliche, in eingängigem Latein verfasste Werk diente das ganze Mittelalter
hindurch und bis weit in die Frühe Neuzeit hinein als Eingangslektüre des Lateinunterrichts. Bis
ins 16. Jahrhundert hinein konnte es sogar für das anspruchsvolle Textstudium an den Universitäten herangezogen
werden.
Der Einfluss des Cato auf die mittelllateinische Literatur ist
entsprechend groß. Die 'Disticha' liegen vielen produktiven Umarbeitungen (u.a. Martinus: 'Novus Cato',
'Cato rhythmicus', 'Cato interpolatus', 'Cato leoninus', 'Cato secundus') und mancher
lateinischen Predigt zugrunde. Sie wurden vielfach glossiert
und kommentiert: zuerst von Remigius von Auxerre, später von Gisalbertus de Bergamo,
Phillippus de Bergamo, Robertus de Euremodio, vor allem aber von einer Vielzahl
anonymer Bearbeiter. In dieser aufbereiteten Form waren sie dann fester Bestandteil
verschiedener lateinischer Schulbücher, so etwa des 'Liber Catonianus' - eines hochmittelalterlichen,
in Frankreich und England beheimateten Schulbuchs - und später der 'Auctores octo' - einer
im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert sehr häufig gedruckten Sammlung moraldidaktischer Schultexte.
So wenig der Einfluss des Cato auf die lateinische Literatur überschaut ist,
denn nicht einmal die erhaltenen Handschriften sind gesichtet, sowenig sein Einfluss auf die volkssprachlichen
Literaturen nahezu des gesamten Europa. Übersetzungen der 'Disticha' - Anspielungen, Zitate und
selbstständigere Verarbeitungen dabei noch hintangestellt - kennt man aus dem Griechischen (von Maximos Planudes),
aus dem Altfranzösischen (u.a. von Everard le Moine, Elie de Winchester, Adam de Suel und
Jehan de Chastelet), aus dem mittelalterlichen Spanien (u.a. von Martín García Payazuelo und
Gonzalo García de Santa María) und Italien (u.a. von Bonvesin de la Riva und Catenaccio Catenacci d'Anagni),
aus dem Mittelhochdeutschen, dem Mittelniederdeutschen, dem Mittelniederländischen,
aus dem Altistländischen ('Hugsvinnsmál'), aus dem Alt- und Mittelenglischen (u.a. von Benedict Burgh) und aus dem
Alttschechischen (u.a. von Jan Amos Komenský).
Übersetzungen ins Deutsche
Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts werden die 'Disticha Catonis' ins Deutsche
übertragen: zuerst in der sogenannten "Gesamtübersetzung" und in der
- sofern die Befunde der älteren Textkritik denn noch stichhaltig sind -
auf dieser aufruhenden "Rumpfbearbeitung". Aus dem 14. Jahrhundert sind u.a. der niederrheinische
(mittelfränkische) Cato (vor 1350), der mittelniederdeutsche Cato Stephans von
Dorpat (um Mitte 14. Jh.) und der ostmitteldeutsche (schlesische) Cato
(Überlieferungseinsatz 4. Viertel 14. Jh.) zu nennen. Aus dem 15.
Jahrhundert sind eine ganze Reihe noch nicht zureichend voneinander abgegrenzter
Übertragungen bekannt. Eine der wirkungsmächtigsten Übersetzung des 15. Jahrhunderts,
die sogenannte "Übersetzungsfassung A" entsteht - vielleicht um die Mitte des 15. Jahrhunderts - an
einer der berühmtesten Lateinschulen der Zeit in Ulm. Namhafte Übersetzer
der Folgezeit sind Sebastian Brant, der Züricher Schulmeister Johannes
Fries im 16. Jahrhundert und Martin Opitz im 17. Dieser barocke "deutsche Cato"
stellt die letzte wirkmächtige Übersetzungsfassung dar.
Viele, aber keineswegs alle dieser Übersetzungen werden
für den Schulgebrauch erarbeitet. Immerhin der erfolgreichste "deutsche Cato" des Mittelalters,
die sogenannte "Rumpfbearbeitung", zielt vielmehr von Anfang auf den nicht-lateinkundigen Laien als Rezipienten, nicht jedoch auf den Lateinschüler.
Überdies waren die für den mittelalterlichen
Lateinunterricht angelegten Übertragungen auf diesen Gebrauchsraum textlich nicht allzu eng
fixiert; sie konnten daher vergleichsweise umstandslos auch für außerschulische Zwecke
herangezogen werden.
Trotz der literatur-, kultur- und bildungsgeschichtlichen Bedeutung
der deutschen Cato-Übersetzungen ist deren Bestand ganz unzureichend aufgearbeitet. Die im Bereich der Quellenheuristik
am weitesten ausholende Untersuchung
ZARNCKEs
datiert ins vorletzte Jahrhundert. Sie bedarf schon von daher in vielem der Ergänzung und Korrektur.
Die seit 1852 überaus zahlreich nachgetragenen Bestände sind weit verstreut und teils
sehr entlegen publiziert.
Über diese Datenbank
Die vorliegende Datenbank ist aus Arbeiten am
Teilprojekt A7 "Disticha Catonis. Didaktische Diskursformen zwischen Latein und Volkssprache" hervorgegangen,
das im Rahmen des Hamburger
SFB 538
"Mehrsprachigkeit" von August 1999 bis Juni 2002
von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert
und von Prof. Dr. Henkel, Hamburg, geleitet wurde.
Angesichts des unzureichenden Forschungsstands musste ein im Wortsinne grundlegender
Arbeitsschritt des Projekts in der Sicherung eines für die geplanten Untersuchungen
zuverlässig auswertbaren Untersuchungskorpus liegen. Dr. Thomas Ehlen hat dazu
von August 2000 bis September 2001 erste Vorarbeiten geleistet. Von Oktober 2000 bis Juli 2001
wurden die Recherchen dann systematisch und zugleich mit dem neuen Ziel betrieben,
die Ergebnisse laufend im Rahmen des Internetauftritts des Teilprojekts zu dokumentieren.
Das erfreulich rege Interesse an diesem Angebot hat es nahegelegt, die entsprechenden Informationen auch über
das Ausscheiden des Teilprojekts aus dem SFB hinaus bereitzuhalten. Sie wurden daher im Juli und August
2002 mit DFG-Mitteln zu einem selbstständigen Angebot ausgebaut.
Die Datenbank verzeichnet alle der Forschung bisher bekannten mittelalterlichen Handschriften
mit deutschen Cato-Übersetzungen auf der Grundlage von Autopsien, Papierkopien oder
Mikrofilmen und ergänzt diesen Bestand um zahlreiche Neufunde. Sie verzeichnet zudem alle bekannten gedruckten Übersetzungen,
diese allerdings nur auf der Grundlage bibliographischer Recherchen. Denn Originale oder Reproduktionen
konnten für diesen Bereich nur in Ausnahmefällen eingesehen werden.
Für die Handschriften ist jeweils vermerkt, wo ihr Text in
modernen Textausgaben zugänglich ist. Ergänzend sind in einigen Fällen eigene (Roh-)Transkriptionen
des Textes bereitgestellt. Das Angebot wird von Abbildungen aus dem jeweiligen Überlieferungsträger
begleitet, die einen Einblick in die verschiedenen Darbietungs- und Aufbereitungsformen des deutschen Cato
geben. Weiterhin ist, soweit vorhanden, auf
Katalogbeschreibungen verwiesen, ferner systematisch auf Beiträge der älteren Cato-Forschung zum
jeweiligen Überlieferungsträger.
Zitiervorschlag
Bitte zitieren sie die Datenbank in dieser Form:
Michael Baldzuhn: 'Disticha Catonis' - Datenbank der deutschen Übersetzungen (Netzadresse: https://www-archiv.fdm.uni-hamburg.de/disticha-catonis/; Datum: [Tagesdatum])
Eine Studie zur Text- und Überlieferungsgeschichte der deutschen Cato-Übersetzungen ist inzwischen (2009) unter dem Titel "Schulbücher im Trivium des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Die Verschriftlichung von Unterricht in der Text- und Überlieferungsgeschichte der 'Fabulae' Avians und der deutschen 'Disticha Catonis'" in gedruckter Form erschienen.
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Michael Baldzuhn, 8. August 2002 (zuletzt aktualisiert: 14.3.2024)