Wissenstransfer 2.0
Formen und Potenziale nicht-zertifizierter Expertise für Lebenswissenschaften und Medizin
Über das Projekt
Wissenstransfer 2.0
Formen und Potenziale nicht-zertifizierter Expertise für Lebenswissenschaften und Medizin
Produktion und Kommunikation lebenswissenschaftlichen und medizinischen Wissens befinden sich im Umbruch und verändern den Wissenstransfer zwischen Gesellschaft und Wissenschaft. So tritt zwischen die klassischen Rollen des Wissensproduzenten (des Experten) und des Wissenskonsumenten (des Laien) zunehmend die neue Sozialfigur des „Prosumers“, der Produktion und Konsumtion von Wissen vereint. Technische Entwicklungen wie das Web 2.0 spielen dabei eine entscheidende Rolle. Ziel des Verbundprojekts „Wissenstransfer 2.0“ ist es daher zu untersuchen, inwieweit der sogenannten nicht-zertifizierten Expertise von Prosumern das Potenzial innewohnt, das Verhältnis von Lebenswissenschaften und Gesellschaft zu verändern und im Sinne eines „Wissenstransfers 2.0“ mitzugestalten.
Zur Bearbeitung dieser Frage sind innovative Felder nicht-zertifizierter Expertise identifiziert worden, in denen die Akteure selbst Einfluss auf Wissenschaft und Medizin nehmen. Dabei handelt es sich um Nutzer von Direct-To-Consumer-Gentests und ihnen angeschlossenen sozialen Web-Plattformen („Health Social Networks“) sowie um Anwender von Techniken der Selbstvermessung („Quantified Self“). Ausgehend von der Annahme, dass es sich bei diesen Fällen um Vorboten eines grundsätzlicheren Wandels des Verhältnisses von Gesellschaft und Wissenschaft handeln könnte, sollen die Folgen dieser Formen nicht-zertifizierter Expertise mit ihren Chancen und Risiken für die Gesellschaft abgeschätzt werden. Damit trägt das Forschungsprojekt dazu bei, Fragen der Wissenskommunikation nicht nur im Hinblick auf die klassische Richtung aus der Wissenschaft in die Gesellschaft, sondern auch bezüglich der umgekehrten Richtung aus der Gesellschaft in Lebenswissenschaften und Medizin zu klären.
Projektpartner:
Verbund
Verbund
Ziel des Verbundprojekts ist es zu klären, inwieweit nicht-zertifizierter Expertise das Potenzial innewohnt, das Verhältnis von Lebenswissenschaften und Gesellschaft zu verändern. Das Projekt geht davon aus, dass sich eine zunehmende soziale Wirkmächtigkeit nicht-zertifizierter Formen von Expertise beobachten lässt. Dies lässt die Möglichkeit eines neuen Wissenstransfers aufscheinen, in dem neben die klassischen Rollen des Wissensproduzenten und des Wissenskonsumenten die neue Sozialfigur des lebenswissenschaftlichen Prosumers tritt, der das Web 2.0 nutzt, um mit zertifizierten Experten und nicht-zertifizierten Expertinnen und Experten in Austausch zu treten.
Um die mögliche Emergenz eines solchen Prosumings und seiner Folgen überprüfen und diskutieren zu können, ist eine Beobachtung besonders avancierter Felder nicht-zertifizierter Expertise erforderlich, in denen die Herausbildung solcher neuer Handlungsmodi nachweisbar ist. Beispielfelder bilden Direct-To-Consumer-Gentests (DTC-Tests) und die ihnen angeschlossenen sozialen Web-Plattformen („Health Social Networks“) auf der einen sowie die Quantified-Self-Bewegung (QS-Bewegung) auf der anderen Seite. Die Erforschung dieser Felder soll es ermöglichen, erste Hypothesen zu den folgenden übergreifenden Fragestellungen des Verbundvorhabens zu formulieren:
- Wie gestaltet sich in den beiden gewählten Feldern der Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Gesellschaft unter Berücksichtigung moderner Kommunikationsmedien? Welche allgemein gültigen Aussagen lassen sich aus der Betrachtung der Beispiele ableiten?
- Wie verändern sich Selbst- und Fremdbeschreibungsprozesse in Bezug auf Expertise und Zuschreibungsmodi von Expertise? Als wie trennscharf erweisen sich die Begriffe von zertifizierter und nicht-zertifizierter Expertise?
- Welche Einflusstendenzen nicht-zertifizierte Expertise auf die Wissenschaft zeichnen sich ab?
- Welche Potenziale und nicht-intendierten Folgen bringen die in den Beispielfeldern beobachteten neuen Formen nicht-zertifizierter Expertise für die Gesellschaft mit sich?
Teilprojekt 1
DIRECT-TO-CONSUMER-TESTS & HEALTH SOCIAL NETWORKS:
VOM ARZT-PATIENT-VERHÄLTNIS ZUR „PEER2PEER“- KOMMUNIKATION?
Universität Hamburg
Forschungsgegenstand des Teilprojekts sind Direct-to-Consumer-Gentests (DTCs) und zugehörige soziale Plattformen im Bereich Gesundheit (Health Social Networks; HSNs), die es Nutzern erlauben, sich stärker mit anderen zu vernetzen und sich in wissenschaftliche und medizinische Kontexte einzubringen. Damit werden aus Nutzern und Patienten "Prosumer", die Wissen nicht nur konsumieren, sondern auch produzieren und im Sinne eines "Wissenstransfers 2.0" in die Wissenschaft zurück kommunizieren.
Das Teilprojekt trägt mit der Untersuchung der beiden Fallbeipiele DTCs und HSNs dazu bei, Fragen der Nutzung zu klären; zu untersuchen, wie dieser medizinnahe Bereich Wissen produziert und in die Wissenschaft kommuniziert; welche Rolle zertifizierter und nicht-zertifizierter Expertise im Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zukommt. Darüber hinaus ist es Ziel, Potenziale und nicht-intendierte Folgen einer möglichen Abkehr vom klassischen Bild des Patienten abzuschätzen sowie Handlungsoptionen an die Politik für zukünftige Entwicklungen im Bereich Patienten und Konsumenten zu entwickeln.
Teilprojekt 2
QUANTIFIED SELF - NEUE WISSENSQUELLE FÜR GESUNDHEITS- UND LEBENSWISSENSCHAFTEN?
Fraunhofer ISI
„Quantified Self“ ist der Name einer sich rasant ausbreitenden internationalen Bewegung von Menschen, die mit Hilfe von Smartphone-Apps und Sensor-Geräten permanent Daten über ihren eigenen Körper und ihre Lebensführung erheben, sammeln und analysieren, um daraus Erkenntnisse insbesondere für ihre Gesundheit zu gewinnen. Dabei ermöglicht das Web 2.0 nicht nur eine hochgradige Vernetzung der Bewegung, sondern auch einen niedrigschwelligen Austausch von Daten und Analyseergebnissen. Im Rahmen des Verbundprojekts „Wissenstransfer 2.0“ zielt das Teilprojekt „Quantified Self“ auf die explorative Erforschung des im Zuge der Quantified-Self-Bewegung entstehenden Wissens und seines transformativen Potenzials für die Gesundheits- und Lebenswissenschaften. Einem qualitativ-rekonstruktiven Untersuchungsdesign folgend, sollen Nutzungspotenziale dieser Form nicht-zertifizierter Expertise und sich abzeichnende Risiken – etwa im Bereich des Datenschutzes – abgeschätzt werden, um darauf aufbauend Handlungsoptionen für Politik, Wissenschaft und Medizin zu entwickeln.
MitarbeiterInnen
PD. Dr. Günter Feuerstein, FSP BIOGUM, Universität Hamburg
Verbundprojektleitung
Dipl.-Päd. Anne Brüninghaus, FSP BIOGUM, Universität Hamburg
Verbundmanagement, Leitung Teilprojekt 1
Dr. Nils Heyen, Fraunhofer ISI
Leitung Teilprojekt 2
Dipl.-Medienwiss. Jana Weitkamp, Fraunhofer ISI
Dara Hallinan, M.A., Fraunhofer ISI
Philip Schütz, M.A., Fraunhofer ISI
Birte Carstensen, FSP BIOGUM, Universität Hamburg
Studentische Hilfskraft
Marcia Nißen, B.Sc., Fraunhofer ISI
Studentische Hilfskraft