Verbrauchernutzen gentechnisch veränderter Lebensmittel
Projekt
Bewertung gentechnisch veränderter Lebensmittel mit einem zusätzlichen Verbrauchernutzen
Projektbearbeitung:
Susanne Stirn
Laufzeit:
Daueraufgabe seit 1998
Problemstellung und Ziel
Die Sicherheitsbewertung gentechnisch veränderter Lebensmittel wird nach dem Konzept der "Substanziellen Äquivalenz" durchgeführt, das 1993 von der OECD entwickelt wurde. Substanzielle Äquivalenz bedeutet die wesentliche Gleichwertigkeit einer gentechnisch veränderten Pflanze bzw. eines Lebensmittels mit der jeweiligen konventionellen Pflanze bzw. dem konventionellen Lebensmittel, die aufgrund von Erfahrungen als sicher für den menschlichen Verzehr gelten („history of safe use“) PDF.
Dieses Konzept ist auch Grundlage der Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen für Lebens- und Futtermittelzwecke in der EU (http://www.bfr.bund.de/cd/2393).
Die wesentliche Gleichwertigkeit wird durch eine Analyse der Makro- und Mikronährstoffe sowie der bekannten Toxine und Allergene bestimmt. Darüber hinaus werden agronomische und morphologische Charakteristika verglichen.
Die festgestellten Unterschiede zwischen der gentechnisch veränderten Pflanze (GVP) und der konventionellen Ausgangspflanze werden anschließend in Hinblick auf mögliche toxische oder allergene Wirkungen sowie auf die Ausgewogenheit der Ernährung hin bewertet.
Die bisher zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen enthielten zumeist ein oder wenige neue Gene, die eine Herbizid- und/oder Insektentoleranz vermitteln (GVP der ersten Generation). In diesen Fällen sind die gentechnisch veränderten Pflanzen als substanziell äquivalent zu ihren konventionellen Ausgangspflanzen eingestuft worden, mit Ausnahme des neu gebildete Proteins, auf das sich dann die Sicherheitsabschätzung konzentrierte (Schütte et al., 2001).
In naher Zukunft werden vermehrt gentechnisch veränderte Pflanzen entwickelt und zur Zulassung beantragt werden, bei denen durch Einführung neuer Stoffwechselwege ernährungsphysiologisch verbesserte Lebensmittel hergestellt werden sollen („functional foods“). Diese gehören zu den gentechnisch veränderten Pflanzen der nächsten Generation, für die zu überprüfen ist, ob das bestehende Sicherheitsabschätzungskonzept angewandt werden kann bzw. in welchen Aspekten es an diese Pflanzen angepasst werden muss: So stellt sich z.B. die Frage, ob die Wahrscheinlichkeit unbeabsichtigter Effekte bei Pflanzen mit Eingriffen in ganze Stoffwechselwege gegenüber den GVP der ersten Generation, die einzelne neue Proteine bilden, erhöht ist und welche Methoden geeignet sind, diese sicher zu erfassen. Darüber hinaus ist u. U. die Sicherheitsabschätzung der neu eingeführten Proteine in Fütterungsversuchen mit Nagern (z.B. OECD Toxizitätstests) nicht ausreichend und neue Testsysteme zur Abschätzung der Sicherheit ganzer Lebensmittel müssen weiter entwickelt werden.
Ergebnisse
Die Diskussion um die Sicherheitsabschätzung gentechnisch veränderter Pflanzen, die als Lebens- oder Futtermittel verwendet werden sollen, wird nach wie vor lebhaft geführt. Die Schwerpunkte der Diskussionen haben sich im Laufe der Zeit allerdings verschoben: In den Anfängen wurde hauptsächlich darüber diskutiert, ob das Konzept der substantiellen Äquivalenz ein geeignetes Sicherheitsabschätzungskonzept darstellt. Nachdem es in fast allen Ländern als Grundlage einer Zulassung eingesetzt wird, wurden Meinungen laut, dass die Zulassungshürde für gentechnisch veränderte Lebensmittelpflanzen im Vergleich zu konventionell gezüchteten Pflanzen zu hoch sei, da auch dort gesundheitliche Risiken entstehen könnten. Exemplarisch haben wir dies am Beispiel der Kartoffel verglichen (s. Stirn und Beusmann, 2003).
In den letzten Jahren wurden zumeist einzelne Testverfahren und deren Aussagekraft diskutiert, z.B. die Tests zur Abschätzung einer möglichen allergenen Wirkung oder die Fütterungsversuche zur Abschätzung der möglichen Toxizität (s. Stirn, 2007)
Bis jetzt sind nur sehr wenige gentechnisch veränderte Pflanzen mit einem zusätzlichen Verbrauchernutzen zugelassen worden. Deshalb haben wir zunächst mit Hilfe einer Internetrecherche erfasst, welche gentechnisch veränderten Pflanzen der nächsten Generation sich in der Entwicklung befinden und welche zur Kommerzialisierung beantragt worden sind. Da nach unseren Ergebnissen auch die Zahl derjenigen gentechnisch veränderten Pflanzen, die sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Entwicklung befinden, gering ist, haben wir Hürden für ihre Entwicklung und Kommerzialisierung identifiziert sowie noch offene Fragen zu ihrer Sicherheitsabschätzung gestellt (Stirn, 2006).
Im Weiteren soll die Sicherheitsabschätzung zu gentechnisch veränderten Pflanzen mit einem zusätzlichen Verbrauchernutzen an Hand von Fallbeispielen untersucht werden. Schwerpunkte der Analyse stellen die verwendeten Methoden zur Detektion eventueller unerwarteter Effekte sowie der Einsatz von Fütterungsversuchen mit ganzen Lebensmitteln dar.
Veröffentlichungen
Stirn, Susanne (2007): Grundsätze der Abschätzung möglicher gesundheitlicher Wirkungen gentechnisch veränderter Organismen. Gutachten für die interdisziplinäre Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. PDF
Stirn, Susanne (2006): Gentechnisch veränderte Pflanzen mit zusätzlichem Verbrauchernutzen - Warum ist eine Vermarktung weiterhin nicht in Sicht? BIOGUM-Forschungsbericht/BIOGUM-Research Paper, FG Landwirtschaft, Nr. 15, Hamburg, ISBN3-937792-19-8. PDF
Stirn, Susanne und Volker Beusmann (2003): Vergleich der Sicherheitsabschätzung gentechnisch veränderter und konventionell gezüchteter Lebensmittel am Beispiel der Kartoffel. Deutsche Lebensmittel-Rundschau 10, 395-403.
Schütte, Gesine, Susanne Stirn und Volker Beusmann (2001): Transgene Pflanzen - Sicherheitsforschung, Risikoabschätzung und Nachzulassungs-Monitoring. Birkhäuser Verlag AG, Basel-Boston-Berlin, 247 S. ISBN 3-7643-6475-0. Mehr