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Fortpflanzungsarten (Rekombinationssysteme)


Folgende Fortpflanzungsarten sind bei Pflanzen nachgewiesen worden:

1. Sexuelle Fortpflanzung

a) Fremdbefruchtung (Allogamie oder Xenogamie, outbreeding)
b) Selbstbefruchtung, Inzucht (Autogamie, inbreeding)

2. Vegetative, asexuelle Fortpflanzung (Apomixis).

a) Vegetative Vermehrung
b) Agamospermie (asexuelle Bildung von Samen; sporadisch, fakultativ, obligat).

Jeder der Mechanismen hat sich in gegebener Situation als adaptiv erwiesen.


Allogamie

Allogamie (Fremdbefruchtung, outbreeding) ist der übliche, vor allem auch der bekannteste Modus sexueller Fortpflanzung. Er sichert den Fortbestand genetischer Variabilität, und damit die Entstehung neuer Allelkombinationen innerhalb einer Art. Allogamie ist nicht auf Blütenpflanzen beschränkt. Der Begriff Fremdbestäubung umfaßt daher nur einen Teil allogamer Prozesse, nämlich Befruchtung unter Mitwirkung von Pollen. Fremdbefruchtung ist auch bei Kryptogamen verbreitet. Anstelle des Pollens treten dort männliche (oder + ) -Gameten (bewegliche Gameten u.a.).

Im Verlauf der Evolution der Pflanzen sind Mechanismen entstanden, die Fremdbefruchtung fördern, und Selbstbefruchtung ganz oder nahezu ausschließen. Am wichtigsten ist die Diözie (Zweihäusigkeit): männliche und weibliche (+ und -) Gameten werden getrennt von verschiedenen Individuen gebildet. Viele Kryptogamen und Blütenpflanzen sind monözisch (einhäusig). Bei ihnen werden männliche und weibliche Gameten an verschiedenen Stellen oder zu verschiedenen Zeiten auf ein und demselben Individuum gebildet. Als typische Beispiele können Farnprothallien und windbestäubte Bäume genannt werden. Die ursprünglichen Angiospermen besaßen zweifelsohne zwittrige (zweigeschlechtige) Blüten mit Staub- und Fruchtblättern (Androeceum und Gynoeceum), sie zeichneten sich durch Selbstinkompatibilität aus. Dieser Status ist auch heute noch weit verbreitet. Progressivere Formen der Angiospermen zeichnen sich durch Monözie oder Diözie aus. Die Allogamie wurde dadurch weiter gefördert oder sogar erzwungen. In einigen Gattungen, z.B. Bryonia (Zaunrübe), kommen sowohl diözische als auch monözische Arten vor. Letztere können durch Mutation Diözie erwerben. Diese gilt dann als ein sekundäres (abgeleitetes) Merkmal.

Bei vielen Angiospermenfamilien sind die Blüten so gebaut, daß eine zufällige Übertragung von eigenem Pollen auf die Narbe weitgehend oder ganz unterbunden wird. Der Blütenbau ist dabei oft so diffizil, daß erst beim Mitwirken von Bestäubern (Insekten, Vögeln usw.) sichergestellt ist, daß diese den Pollen beim Anflug auf eine neue Blüte auf deren Narbe übertragen.

In Blüten mancher Arten werden Androeceum und Gynoeceum nacheinander reif: Dichogamie (im Gegensatz zu Homogamie, wo Androeceum und Gynoeceum gleichzeitig reifen). Protandrische (= proterandrische) Blüten sind solche, bei denen zuerst das Androeceum, proterogyne solche, bei denen zuerst das Gynoeceum reif ist.

In einigen Gattungen, z.B. Tulipa und Hyacinthus, sind tetraploide Arten überwiegend selbstkompatibel, diploide selbstinkompatibel. Bei einigen annuellen Arten, wie Clarkia purpurea, kommen interfertile (untereinander kreuzbare) Rassen vor, von denen eine allogam ist und durch Bienen bestäubt wird, eine andere selbstbestäubend ist (H. und M. LEWIS, 1955). Außer den bereits erwähnten Bäumen sind vor allem die perennierenden Kräuter allogam.


Autogamie

Autogamie (Selbstbestäubung, Selbstbefruchtung) ist bei Blütenpflanzen recht weit verbreitet. Wie bereits DARWIN feststellte, hebt sie viele Vorteile sexueller Fortpflanzung auf, reduziert die Variabilität der Genkombinationen, und fördert die Bildung von Homozygoten (Inzucht). Eine Art zerfällt damit in eine Vielzahl genetisch voneinander verschiedener Linien, aus denen sich isolierte Teilpopulationen entwickeln. Oft lassen sie sich morphologisch leicht voneinander unterscheiden, und rein formal müßte man sie als eigenständige Arten führen. Es gibt durchaus Fälle, an denen man zeigen kann, daß Autogamie ein erster wichtiger Schritt zu einer Artneubildung gewesen ist.

Autogamie ist jedoch nur sehr selten (bei Angiospermen womöglich nie) der einzige, Allogamie ausschließende Fortpflanzungsmechanismus (das wäre obligate Autogamie im strengen Sinne). Hin und wieder stößt man nämlich bei allen Arten, die als obligat autogam eingestuft werden, auf einen geringen Anteil Fremdbefruchtung, durch die ein, wenn auch beschränkter, Genaustausch (ein Genfluß) zwischen den Populationen aufrechterhalten wird und der die Einheit der betreffenden Art gewährleistet. So wird z.B. für Thlaspi alpestre ein Allogamieanteil von etwa fünf Prozent angegeben.

Wo Autogamie üblich, Allogamie aber nicht selten ist, spricht man von fakultativer Autogamie. Sie ist bei Polyploiden und bei Erstbesiedlern neuer Biotope (Ruderalpflanzen, unter denen sich meist auch ein hoher Anteil polyploider Arten findet) besonders häufig. Gerade bei erfolgreichen Erstbesiedlern (z.B. Chenopodium album, Avena fatua, Stellaria media, Oxalis corniculata, Lactuca serriola, Hordeum murinum, Rumex crispus, Raphanus sativus, Plantago lanceolata, Capsella bursa-pastoris u.a.) ist die innerartliche Variabilität an einem neuen Standort sehr gering. Sie ist hingegen beträchtlich, wenn man die Pflanzen unterschiedlicher neuer Standorte miteinander vergleicht. Die Pflanzen konnten sich ausbreiten, weil sie (durch Samen oder andere Pflanzenteile verbreitet) zuerst da waren. Vielfach werden Erstbesiedler in nachfolgenden Vegetationsperioden durch andere, konkurrenzfähigere Arten ersetzt (Sukzession). Autogame Arten sind oft annuell. Sie haben meist kleine unscheinbare, damit für Bestäuber unattraktive Blüten. Bei geringer Individuenzahl (pro Flächeneinheit) ist Autogamie nützlich, denn Sicherung des Fortpflanzungserfolgs ist wichtiger (fitneßfördernd) als die Produktion neuer Genotypen. Zugleich ist sie aber gerade bei den Polyploiden vorteilhaft, denn deren Genetik (Segregationsverhalten einzelner Allele) ist wesentlich komplexer als die der Diploiden. Ein bestimmtes Gen kann in einem Diplonten in den Zuständen (Allelen) AA, Aa und aa vorliegen. Bei Tetraploiden sieht die Situation wie folgt aus: AAAA, AAAa, AA aa, Aaaa und aaaa, und gerade in solchen Situationen ist sexuell (durch Allogamie) nur seltener eine günstigere Konstellation zu erreichen als durch Inzucht oder vegetative Fortpflanzung.


Vegetative Vermehrung

Hierzu an dieser Stelle nur einige kurze Bemerkungen. Die Zellteilung ist die primitivste Vermehrungsweise von Organismen. Sie ist bei Prokaryoten, Protisten und einzelligen Algen vorherrschend. Pflanzen besitzen ein hohes Regenerationsvermögen, das ihnen eine vegetative Vermehrung erlaubt. Sproßteile sind meist in der Lage, neu Wurzeln zu schlagen und sich an einem neuen Standort zu etablieren. Wie an anderer Stelle dargelegt, blühen Blütenpflanzen unter gewissen Bedingungen nicht, behalten aber über Jahre die Fähigkeit, sich zu vermehren.

Es ist bekannt, daß viele Arten spezielle, der Fortpflanzung dienende Ausläufer bilden (z.B. Erdbeere; viele auf Sand (Dünen) wachsende Arten), andere wiederum bilden spezifisch geformte Brutkörper oder Brutknospen. Als Beispiele hierfür seien nur die Kartoffelknolle und die Brutknospen von Bryophyllum calycinum genannt.

Zur vegetativen Vermehrung zählt auch die Erscheinung der Viviparie, die u.a. bei verschiedenen Gräsern aus den Gattungen Poa, Festuca und Deschampsia zu beobachten ist.


Agamospermie

Agamospermie und vegetative Vermehrung werden unter dem Begriff Apomixis zusammengefaßt. Unter Agamospermie versteht man Samenbildung auf ungeschlechtlichem Wege. Drei Möglichkeiten bieten sich dafür an:

Diplosporie. Unter Umgehung der Meiose entwickelt sich die (diploide) Embryosackmutterzelle direkt zum Embryo (Parthenogenese).
Aposporie. Der Embryo entsteht aus somatischen Zellen aus der Umgebung der Embryosackmutterzelle.

In beiden Fällen wird der Gametophyt gebildet, lediglich die Reduktionsteilung unterbleibt oder bleibt folgenlos. Man spricht daher auch von gametophytischer Apomixis.

Adventive Embryonie. Der Gametophyt wird nicht gebildet. Der Embryo entsteht direkt aus Zellen des diploiden Sporophyten, so z.B. aus Zellen des Integuments.

Apomixis ist bei Angiospermen (und Pteridophyten) weit verbreitet, bei Gymnospermen wurde sie nicht festgestellt. Auffallend häufig ist sie bei manchen Gattungen der Gramineen (Poa), Rosaceen (Rubus, Sorbus), Compositen (Achillea, Crepis, Hieracium, Taraxacum) und Rutaceen (Citrus).

Wegen des Auftretens der Apomixis bei Hieracium, ist es G. MENDEL seinerzeit nicht gelungen, die bei Pisum sativum gefundenen Gesetzmäßigkeiten auch auf Arten dieser Gattung zu übertragen. Gattungen, in denen Apomixis vorkommt, gelten taxonomisch als schwierig, weil die Arten nicht klar voneinander unterschieden werden können, da sie selbst oft aus einzelnen Klonen bestehen. Erschwert wird die Situation auch noch durch die Tatsache, daß Apomixis obligat, fakultativ oder sporadisch sein kann, wodurch die Komplexität der Variationsmuster noch weiter ansteigt.

Weitgehend obligat ist Apomixis vermutlich bei den meisten der genannten Compositen; fakultativ, d.h. mit einem Nebeneinander von apomiktisch und sexuell erzeugten Samen, ist sie bei den Rosaceen und Gramineen. Aus der Blütenform einer Pflanze ist nicht zu ersehen, ob Apomixis vorliegt.

Die Mehrzahl der Apomikten sind polyploide Hybride, obwohl Polyploidie per se nicht apomixiefördernd ist und auch Hybridisierung allein keine Apomixis nach sich zieht.

Wie im Thema Chromosomenzahlen dargelegt, kommen bei Hybriden häufig Meioseschwierigkeiten vor, die meist zu gravierenden Fertilitätseinbußen führen. Der Selektionsvorteil der Apomixis in solcher Situation ist offensichtlich. Sie sichert die Existenz der Hybriden und bietet gleichzeitig einen Ausweg aus dem Sterilitätsproblem. Hybriden und Apomixis findet man oft an gestörten Standorten. Doch im Gegensatz zur inzucht- und damit homozygotiefördernden Autogamie, stabilisiert Apomixis den status quo; der Genotyp eines Individuums bleibt in der Nachkommenschaft unverändert erhalten. Besonders erfolgreiche Pioniere bedienen sich genetischer Systeme, die einen Kompromiß zwischen hoher Rekombinationsrate und der Stabilisierung adaptiver Typen darstellen. Fakultative Apomixis und Hybridenbildung erwiesen sich dabei als eine optimale Kombination.


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