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Schon die ersten lichtmikroskopischen Beobachtungen an Chromosomen ergaben, daß sich die Chromosomen eines Satzes strukturell voneinander unterscheiden können. Gelegentlich findet man an den Enden einzelner Chromosomen Anhänge, die als Satelliten bezeichnet werden. Am günstigsten lassen sich Chromosomen während der Metaphase, zu einem Zeitpunkt, zu dem die beiden Chromatiden noch zusammenhängen, betrachten. Sie erscheinen dann in X- oder V-förmiger Konfiguration. Während dieses Stadiums lassen sie sich auch am einfachsten zählen, strukturelle Änderungen oder das Fehlen einzelner Chromosomen lassen sich erfassen.
In der Chromosomenforschung ist es üblich, die Chromosomen eines Satzes der Größe nach zu sortieren und sie mit fallender Größe (Länge) zu numerieren. Das Chromosom 1 eines Satzes ist in der Regel das größte; X- und Y-Chromosomen werden getrennt behandelt und in der Darstellung zuletzt präsentiert. Das X-Chromosom ist bei einigen Arten größer als das Chromosom l; das Y-Chromosom ist oft sehr klein. Wie aber schon erwähnt, sind die Geschlechtschromosomen bei höheren Pflanzen (soweit vorhanden) strukturell meist nicht voneinander unterscheidbar. Die Charakterisierung der Chromosomen einer Art durch Zahl und Form nennt man Karyotyp. Die Identität der n=10 Maischromosomen wurde in den späten zwanziger und frühen dreißiger Jahren durch B. McCLINTOCK (Carnegie Institution of Washington) geklärt. Chromosom 1 ist mehr als doppelt so lang wie das Chromosom 10, im Chromosom 5 sind langer und kurzer Arm annähernd gleich lang, in Chromosom 6 ist der lange Arm sieben mal so lang wie der kurze. Chromosom 6 trägt am kurzen Arm eine endständige (telomere), knopfartige Struktur (einen Satelliten). Mehrere der Chromosomen sind an bestimmten Stellen regelmäßig verdickt. Die Kopplungsgruppe I (siehe vorangegangenen Abschnitt) konnte dem Chromosom 9 zugeordnet werden.
Warum diese Konfusion bei der Numerierung? Chromosomennummern werden nach Chromosomengröße vergeben. Die Numerierung der Kopplungsgruppen beruht auf anderen Konventionen. Die Experimente mit den Genorten der Kopplungsgruppe I wurden eben früher als die der Kopplungsgruppe II, III usw. durchgeführt.
Chromosomenstrukturen und Genkarten vom Mais nehmen an Vollständigkeit von Jahr zu Jahr zu. Einige weit lückenhaftere Karten existieren z.B. von Antirrhinum majus und einigen Getreidearten (Triticum aestivum u.a.). Doch selbst die Genkarte vom Mais ist bei weitem nicht so detailliert wie die von Drosophila melanogaster oder die des Menschen. Dies mag zunächst verwundern. Es gibt heute jedoch Techniken, Genkarten aufgrund von Untersuchungen an Zellkulturen (Analyse von Fusionsprodukten menschlicher Zellen mit Mäusezellen) zu erstellen. Das Interesse an allem, was mit dem Menschen selbst zu tun hat, ist natürlich größer als das an Pflanzen, und die medizinische Forschung wird durch erheblich höhere finanzielle Mittel gefördert als die Botanik oder die Züchtungsforschung. Es sei allerdings auch gesagt, daß die für menschliche (allgemein für tierische) Zellen erarbeitete Methoden zur Genkartierung aus prinzipiellen Erwägungen heraus nicht auf pflanzliche Zellen übertragbar sind. Anders sieht es jedoch mit dem Einsatz gentechnischer Verfahren und der Sequenzierung von Nukleotidbasen in einem DNS-Molekül aus. Die Menge der hier gewonnenen Daten steigt zur Zeit exponentiell an, wobei auch pflanzliche Genome zunehmend intensiver bearbeitet werden. Als neues Versuchsobjekt wurde eine Art mit besonders kleinem Genom gewählt, die Crucifere Arabidopsis thaliana.
Die klassische Methodik der Genkartierung ist daher wohl zunehmend nur noch von historischen Interesse. Arabidopsis wird in Kürze die erste Pflanze sein, deren Genom man vollständig kennen wird. Einzelheiten über Genkarten werden in Datenbanken archiviert z. B.
Durch Färbung mit den üblichen Chromosomenfarbstoffen, z.B. mit Karminessigsäure, lassen sich einzelne Chromosomenabschnitte deutlicher als andere färben. Das Färbungsmuster ist spezifisch. Während der Interphase ist die Chromosomenstruktur in der Regel aufgelöst. Die Intensität der Kernfärbung ist meist geringer, vor allem aber weniger einheitlich als die der Chromosomen. Die färbbare Substanz wird Chromatin genannt. Auf Vorschlag von E. HEITZ (seinerzeit am Botanischen Institut der Universität Hamburg, 1927, 1929) ist zwischen Hetero- und Euchromatin zu unterscheiden. Unter Heterochromatin werden die intensiv angefärbten Bereiche, unter Euchromatin die diffus gefärbten verstanden. Heterochromatin ist meist granulär über den gesamten Zellkern verteilt. Heute können wir sagen, daß die DNS in heterochromatischen Bereichen wie auch in den Chromosomen hochgradig kondensiert (dicht gepackt) ist und daher viel Farbstoff bindet, während sie in euchromatischen Bereichen in aufgelockerter Form vorliegt.
Seit mehreren Jahren werden hochspezifische Fluorochrome (Fluoreszenzfarbstoffe) zur Chromosomenfärbung eingesetzt. Sie gestatten es, Details der Chromosomenstruktur, so z.B. die Verteilung von Eu- und Heterochromatin zu studieren. Es kann mit ihrer Hilfe auch gezeigt werden, daß das Heterochromatin keine einheitliche Fraktion ist, sondern daß es mehrere - unterschiedlich anfärbbare - Heterochromatinarten gibt. Vielfach ist nach Einsatz bestimmter Farbstoffe eine deutliche Querbänderung der Chromosomen erkennbar.
Das Bandierungsmuster ist spezifisch und erleichtert die Identifikation einzelner Chromosomen. Um die Bänderung deutlicher hervortreten zu lassen, werden die Chromosomenpräparate oft einer Vorbehandlung mit proteinabbauenden Enzymen (Proteasen) unterzogen.
Auch der simultane Einsatz von zwei unterschiedlichen Fluorochromen, von denen z.B. eines für Hetero-, das andere für Euchromatin spezifisch ist, erleichtert das Arbeiten, oder besser gesagt, die Auswertung der Ergebnisse.
Die modernen Techniken sind nicht nur zur Charakterisierung der einzelnen Chromosomen wichtig, sie erlauben es auch, das Schicksal einzelner Abschnitte beim Übergang Chromosom > Interphasekern zu verfolgen und bestimmte Bereiche des Kerns mit bestimmten Chromosomen zu homologisieren. Darüber hinaus lassen sich Änderungen der Chromosomenstruktur (Inversionen, Duplikationen usw.) sowie das Auftreten zusätzlicher oder das Fehlen einzelner Chromosomen leicht ausmachen. Einschränkend sei jedoch auch noch vermerkt, daß einige der Farbstoffe mit tierischen Chromosomen zwar eindrucksvolle Bilder liefern, pflanzliche Chromosomen aber weit weniger gut markieren. Warum?
In bestimmten Entwicklungsstadien einiger weniger Arten werden Chromosomen
ausgebildet, in denen die DNS weitgehend dekondensiert ist und in Form
von Schlaufen - von einer Zentralachse ausgehend - organisiert ist. Solche
Lampenbürstenchromosomen sind für die Oozyten (Vorstufen von
Eizellen) der Amphibien typisch. Sie kommen u.a. auch bei der großzelligen
siphonalen Grünalge Acetabularia vor.
Für Molekularbiologen
erwiesen sie sich als ideale Objekte zum Studium
selektiver Genaktivitäten.
Auch die Riesenchromosomen sind eine Besonderheit weniger spezialisierter Zellen in einigen Tier- und Pflanzengruppen. Normale Chromosomen bestehen aus ein bis zwei Chromatiden, während der Interphase ist die Chromosomenstruktur aufgelöst. Riesenchromosomen bestehen aus einer Vielzahl von Chromatiden (größenordnungsmäßig 1000). Sie werden daher auch polytäne Chromosomen oder Polytänchromosomen genannt. Der polytäne Charakter bleibt während der Interphase erhalten. Man findet sie dann aber nicht als freie Chromosomen im Plasma, sondern stets im Kern von einer deutlich sichtbaren Kernmembran umgeben. In Präparationen der Riesenchromosomen (in Quetschpräparaten) wird die Membran absichtlich zerstört, um die Chromosomen zu spreiten und dadurch besser sichtbar zu machen. |
Vielfach, aber nicht immer, sind die jeweils homologen Chromosomen miteinander gepaart (z.B. bei Drosophila melanogaster). Das X-Chromosom der Männchen ist leicht daran erkennbar, daß es nur halb so dick wie die übrigen ist, da ihm ein homologer Partner fehlt. Alle Riesenchromosomen von Drosophila sind im Bereich ihrer Centromeren untereinander verbunden. Dieser Bereich ist stark heterochromatisch (Chromozentrum). Riesenchromosomen zeichnen sich durch eine deutliche regelmäßige Querbänderung aus; das Bandenmuster ist hochspezifisch. Im Fall von Drosophila melanogaster ist jede einzelne Bande identifiziert, klassifiziert und numeriert worden. Dabei ist zu beachten, daß die Bänderung der Ries`nchromosomen nichts mit der eben besprochenen Bandierung normaler Chromosomen zu tun hat. Die Bänderung der Riesenchromosomen ist auch ohne Färbung sichtbar (z.B. im Phasenkontrast- oder im Interferenzkontrastmikroskop). Die Bandierung normaler Chromosomen ist, wenn man so will, ein Artefakt, ein Muster also, das nur nach Einsatz spezifischer Farbstoffe und unter bestimmten Bedingungen zutage tritt. Riesenchromosomen erwiesen sich als geeignete Studienobjekte zur Untersuchung von Strukturänderungen der Chromosomen und deren Folgen.Bild links: Speicheldrüsen von Drosophila melanogaster. Die DNS in den Kernen wurde mit Ethidiumbromid fluorochromiert. Man erkennt den deutlichen Größenunterschied zwischen den relativ wenigen polytänen Kernen in den Speicheldrüsen selbst und den diploiden Kernen in der "Halsregion" der Speicheldrüse (M. JAMRICH, Heidelberg, 1978)
Mehr über polytäne Chromosomen bei Pflanzen im Minireview mit Bildern von W. NAGL, Universität Kaiserslautern: